„Studentische Glanzlichter“ – Melina Lutz & Malin Vollbrandt

Gendern, aber nicht binär!

Von Melina Lutz und Malin Vollbrandt (Posterpreisträger*innen im Rahmen des Workshops „Mind the (Gender) Gap“ an der CAU Kiel im September 2023)

Link zum Poster

Dass Frauen durch die Verwendung des sogenannten „Generischen Maskulinums” in der deutschen Sprache weniger sichtbar sind, ist schon lange Zeit bekannt und belegt (Diewald/Nübling 2022: 5; Lind 2022: 639). Um diesem Problem entgegenzuwirken, wird mittlerweile häufig die Doppelnennung („Lehrerinnen und Lehrer”) oder das Binnen-I („LehrerInnen”) verwendet, sodass Frauen sprachlich mitgemeint werden. In den letzten Jahren haben sich jedoch (insbesondere in der Schriftsprache) viele weitere diverse Formen des Genderns etabliert wie der Asterisk, der Unterstrich oder einige Neoformen des Genderns. 

Mithilfe dieser neuen Formen des Genderns sollen neben Männern nicht nur Frauen mitgemeint werden, sondern auch Menschen, die sich weder dem männlichen Geschlecht noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen. Forschende stellen nämlich immer wieder heraus, dass es sich bei der Binarität von männlich und weiblich um ein künstliches Konstrukt handelt. Sowohl auf der sozialen Ebene, als auch auf der biologischen Ebene suggerieren mehrere Forschende im Hinblick auf das inter*-Spektrum, dass sich diese Binarität nicht zu hundert Prozent aufrechterhalten lässt. (Butler 2004: 4, 9-10; Lind 2022: 634; Philippou 2020: 21). Eine Person kann sich somit einem der vielen anderen sozialen Geschlechter zugehörig fühlen, welche nicht in das binäre Geschlechtersystem fallen. 

Im Kontext der Genderdebatte wurde daher die Forderung dahingehend erweitert, dass nicht nur Frauen mithilfe einer gendergerechten Sprache angesprochen werden sollen, sondern alle Geschlechter. Das Problem ehemaliger Formen des Genderns wie der Doppelnennung oder dem Binnen-I besteht nämlich darin, dass sich diese Formen nach wie vor stark innerhalb des binären Geschlechtersystems bewegen. 

Viele der neuen Formen des Genderns haben es sich daher zur Aufgabe gemacht, auch nicht-binäre Personen in der deutschen Schriftsprache sichtbar zu machen. Da es mittlerweile eine Fülle an Möglichkeiten gibt zu gendern, stellt sich jedoch die Frage danach, durch welche Form des Genderns sich nicht-binäre Personen am ehesten in der Schriftsprache repräsentiert fühlen. Aus diesem Grund wurde in zwei Studien (Löhr 2022; Verein für geschlechtsneutrales Deutsch e.V. 2021) angestrebt, die unter nicht-binären Menschen beliebteste Variante zu finden. Dabei wurden sowohl binäre als auch nicht binäre und sowohl sonderzeicheninklusive als auch -exklusive Varianten verglichen. 

Die Studien zeigen, dass insbesondere mit der Verwendung von neutralen Formulierungen wie Umgehungsformen („Lehrpersonal”) und Partizipkonstruktionen („Lehrende”), aber auch größtenteils dem Asterisk, nicht viel falsch gemacht werden kann, wenn nicht-binäre Personen mitgemeint werden sollen. Am Ende darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Studien nur Präferenzen aufzeigen. Das Geschlecht einer Person ist etwas sehr Individuelles und durch welche Form des Genderns eine nicht-binäre Person sich schlussendlich am ehesten repräsentiert fühlt, unterscheidet sich nach wie vor von Person zu Person. 

Über die Autor*innen

Wir sind Melina Lutz und Malin Vollbrandt und studieren beide Germanistik an der CAU zu Kiel, wo unser Interesse für Genderlinguistik geweckt wurde. 

Zusätzlich zu Germanistik studiere ich (Melina Lutz) Philosophie. Während mich zum Beginn meines Studiums vor allem das Lesen und die Literaturwissenschaft begeisterten, hat sich im Verlauf meines Studiums mein Interesse weiter auf die Sprachwissenschaft ausgeweitet. In Kombination mit meinem Zweitfach Philosophie wurde mir immer mehr deutlich, wie eng Sprache, Welt und Gesellschaft zusammenhängen. Daher stellt am Ende meines Bachelors insbesondere diese Verbindung von Sprache und Gesellschaft, und wie sich diese gegenseitig beeinflussen, für mich ein spannendes und aktuelles Themenfeld dar, indem sich auch die Genderlinguistik verorten lässt. 

Ich, Malin Vollbrandt, studiere zusätzlich Anglistik. Was mich an der Germanistik bewegt, ist das Dekonstruieren von Sprachmustern und das Hinterfragen des Genussystems in Bezug auf die bunte Vielfalt sozialer Geschlechter. Substantive, Pronomen und Artikel sind meistens mit einer Genuszuschreibung verbunden, die laut der aktuellen Rechtschreibung allerdings nur drei Genera umfasst, die die Geschlechtervielfalt nichtbinärer Menschen nicht repräsentieren, da das Neutrum für die personenbezogene Nutzung nicht geeignet ist (Lind 2022: 640-641). Wie diese Spannung zwischen Genus, Sexus und Gender diskutiert wird, interessiert mich besonders, da sich neue Möglichkeiten eröffnen, gleichzeitig inklusiver und kreativer in unserem Sprachgebrauch zu werden. 

Literaturhinweise

Butler, Judith (2004): Undoing Gender. New York. 

Diewald, Gabriele/Nübling, Damaris (2022): „Genus – Sexus – Gender“ – ein spannungs- und ertragreiches Themenfeld der Linguistik. In: Diewald, Gabriele/Nübling, Damaris (HG.): Genus – Sexus – Gender. Berlin/Boston, 3-31. 

Lind, Miriam (2022): Liminalität, Transdifferenz und Geschlecht: Sprachliche Praktiken jenseits von Zweigeschlechtlichkeit. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik v. 52. Verfügbar unter: <https://doi.org/10.1007/s41244-022-00272-0&gt;. (eingesehen am 22.11.2023) 

Löhr, Ronja (2022): „Ich denke, es ist sehr wichtig, dass sich so viele Menschen wie möglich repräsentiert fühlen“. Gendergerechte Sprache aus der Sicht nicht-binärer Personen. In: Diewald, Gabriele; Nübling, Damaris (Hg.): Genus – Sexus – Gender. Berlin/Boston, 349-379. 

Philippou, Zoe A. (2020): The Myth of Neutrality: Linguistic Influence in the Integration of Nonbinary Identities in English and German. In: The Cupola, n. 835. Verfügbar unter: <https://cupola.gettysburg.edu/student_scholarship/835&gt;. (eingesehen am 22.11.2023) 

Verein für geschlechtsneutrales Deutsch e.V. (2021): Ergebnisse der Umfrage zu geschlechtsneutralem Deutsch (Anfang 2021). Verfügbar unter:<https://geschlechtsneutral.net/ergebnisse-der-umfrage-vom-februar-2021/&gt;. (eingesehen am 22.11.2023) 

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